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Babyschalen ohne Kaffeehalterung

02 Uhr morgens

 

Wir werden wach. Unser Jüngster ist ausgeschlafen. Wir sind vom ausgeschlafen noch meilenweit entfernt. 
Ihn stört das wenig. So wie die Zeit Verschiebung, verschiedene Zeitzonen oder Jetlag. 
Um ehrlich zu sein hat mich der Jetlag auch nie so wirklich stark gestört. Sarah ist etwas härter betroffen. Wohl auch, da sie im Flugzeug so gut wie nicht schlafen kann. Ich hatte damit nie meine Probleme. Man schaut einen Film nach dem anderen, schläft so oft man möchte, bekommt seine Mahlzeiten stets geliefert ohne den Abwasch machen zu müssen. Klingt doch eigentlich ganz gut. 

Auch auf diesem Flug war das nicht groß anders für mich. Gut, ich habe deutlich weniger Filme geschaut, da der Zwerg natürlich Auslauf und Aufmerksamkeit braucht. Aber wir haben teilweise auch zusammen unsere kleinen Nickerchen gemacht. 

Während Sarah auf den kleinen aufpasste, kam ich dann aber doch zum Filme schauen. Wie auch vor Corona, hat das OnBoard Entertainment System einiges an aktuellen Filmen zu bieten. Hier hat sich nicht viel geändert. 

Der erste Film den ich mir angesehen habe ist Bad Boys for Life. Die dritte Installation von Michael Bay's Bad Boys Filmreihe.

Der erste Film erschien bereits 1995 und war ein großer Erfolg an den Kinokassen. Ein zweiter Teil wurde trotzdem erst im Jahr 2003 nachgeschoben. Auch dieser war wieder bei Kritikern und Publikum sehr beliebt. Der 2006 angekündigte dritte Teil blieb allerdings auf Eis liegen. 2020 war es dann soweit. Dieser reihte sich mit diversen anderen Filmreihen ein, die eine Reaktivierung aus der Versenkung zu erwarten haben. Den meisten dieser Filme bin ich sehr skeptisch gegenüber, da die Vergangenheit uns allzu deutlich gezeigt hat, wie man seine Fangemeinde zutiefst enttäuschen kann. Ich zähle jetzt nicht auf welche Filme mir diesen faden Beigeschmack gegeben haben, das konntet ihr euch in meinem Corona Tagebuch mehrfach durchlesen. Nur soviel. Ich mag keine Remakes, Reboots, Spin-Offs und weitere wie-schlachte-ich-ein-Franchise-bis-auf-den-letzten-Penny Verfilmungen. Ja, es gibt Ausnahmen. Aber leider halt nur wenige. 
Dementsprechend ging ich auch bei Bad Boys for Life mit einer recht skeptischen Haltung heran. Und wurde durchweg positiv überrascht. 

Der Film reiht sich, meiner Meinung nach, großartig in die Reihe ein und hat mit diversen bekannten Personen, denselben Schauspielern und einem ähnlichen Grundton, das Feeling der ersten beiden wiedergeholt. Große Klasse. Ich war begeistert. Er hat mich sehr positiv an andere große Reihen wie die Lethal Weapon Reihe zum Beispiel erinnert. Der Charme und die Komik sind nicht zu kurz gekommen, wie es heutzutage allzu schnell passiert, zu Gunsten von CGI und anderen Effekten.  Wenn wir genügend Action und Explosionen haben, dann schreibt die Story sich ja schon irgendwie von allein. Oder der Zuschauer vergisst, das es eine Handlung geben sollte und genießt den Film ohne. Auch das haben wir leider schon viel zu oft gesehen.
Abschließend bleibt nur ein: Dringende Empfehlung. Wer auf Lethal Weapon, Rush Hour oder Stirb Langsam steht, wird nicht enttäuscht. 

 

Nach einer weiteren Schlafphase stehen wir dann dennoch bereits um halb sechs auf. Die Nacht ist damit gelaufen. Wenig begeistert und noch nicht ganz bei Sinnen, macht man sich also auf. Klamotten fertig packen, Mietwagen abholen, beladen und dann ab nach Hannover. Von hier geht es dann weiter nach Müden, wo wir unser erstes vorläufiges Quartier aufschlagen. 

Wir machen uns nacheinander fertig, während der Zwerg fleißig dabei hilft die Koffer und Taschen auszupacken. Kaffee! Wir brauchen Kaffee! Das ich da nicht früher drauf gekommen bin. Ich befülle den Wasserkocher und schalte ihn ein. Während dieser aufheizt bereite ich die Tassen vor, mit dem vom Hotel zur Verfügung gestellten Instant Kaffee. Keine Delikatesse, aber er erfüllt seine Aufgabe. Vier Packungen liegen in einer kleinen Schale. Drei davon entkoffeiniert. Also das kleine alkoholfreie Radler unter den Kaffees. Naja, immerhin einer. Der Rest des Tages wird dann wahrscheinlich umso einfacher ablaufen. Keine Probleme beim Mietwagen abholen, eine stressfreie Fahrt ohne Baustellen und ausreichend Pausen für den kleinen, damit er im Auto schlafen kann. 

 

Wir teilen uns auf. Ich verpacke und sortiere das Gepäck neu und Sarah schnappt sich den Zwerg im Tragegurt und holt den Mietwagen. Abholung befindet sich im Flughafen, also circa zwanzig Minuten zu Fuß. Mein packen geht zügig voran und es passiert nicht weiter viel aufregendes. Auf der anderen Seite hingegen wird es bereits wieder spannend. Nach einer kleinen Shopping Tour für die Fahrt, ist Sarah am Flughafen angekommen. Der Mietwagen Verleiher hat seine Station am Terminal. Wir haben bereits von Neuseeland aus den Wagen gebucht, inklusive Kindersitz. Laut der Website muss der Kindersitz sowie die One-way-Pauschale vor Ort in Euro bezahlt werden. Warum auch immer. Das ich die One-way-Pauschale. Abholung in Frankfurt und Abgabe in Hannover, schon irgendwie frech finde, übergehe ich hier mal. Ich bekomme eine Nachricht von Sarah. Sie ist jetzt am Schalter und ist circa in zwanzig Minuten wieder am Hotel. 

Nachdem sie mit den Papieren fertig waren, kommt die Frage auf ob der Kindersitz bereits eingebaut sei. Wie bereits erwähnt, hatte Sarah den Zwerg vor sich geschnallt. Ein verwirrter, fragender Blick des Mitarbeiters ließ Zweifel aufkommen. Welche Größe, welches Alter. Meine Frau antwortete Geduldig. 1 Jahr alt, 10 kg, Sitzschale nach hinten gerichtet. Diese Information wurde per Telefon ans "Lager" weitergeleitet. Sarah begibt sich, mit den Schlüsseln in der Hand, eine Etage nach unten und findet den erwarteten Golf Kombi am angegebenen Ort. Während Sarah das Auto vorbereitet, erkundet Tom in Ruhe den Innenraum. Ein Mitarbeiter der Mietwagenfirma kommt, bereits nach zehn Minuten, in einem teuren Cabrio angefahren. Ohne Kindersitz selbstverständlich.

"Welche Größe Kindersitz brauchen sie denn?" fragt er ohne auszusteigen.
"Für einen einjährigen." erwidert meine Frau.
"Also eine Baby Schale!"
"Nein, eine Nummer größer. Und rückwärts gerichtet."

 

Der Verkäufer fährt davon.
Weitere zehn Minuten später kommt dieser wieder.
Erneut hält dieser hinter dem Wagen an und kommuniziert durch das Fenster. 

 

"Hier ist ihr Kindersitz." ohne Anstalten zu machen, das Auto zu verlassen. 

"Bauen sie den nicht ein?" hakt meine Frau nach. 

"Nein, der ist desinfiziert, ich darf den nicht mehr anfassen. Corona Vorschriften. Sie wissen schon.
Die Anleitung hängt mit dran. Gute Fahrt."

 

Ich weiß bis heute nicht, wie meine Frau in diesem Moment ruhig bleiben konnte. Ihre engelsgleiche Geduld ist mir ein Rätsel. 
Nach so einem Verhalten, wäre ich bereits mehrfach innerlich detoniert und hätte dem Mitarbeiter aber sowas von erzählt wer hier wen einbaut. Immerhin war der Kundenservice, den ich direkt angeschrieben habe, meiner Meinung und hat sich mit einem 25€ Gutschein für die nächste Tour entschuldigt. So etwas arrogantes war mir schon lange nicht mehr unter gekommen. Willkommen in Deutschland.

 

Immerhin war mein Start etwas angenehmer. Das packen verlief problemlos. Alle Koffer und Taschen waren umgepackt, ließen sich schließen und ich konnte mir von der Rezeption einen Koffer Trolley ausleihen. Ich fragte außerdem nach einem Kaffee, den ich natürlich käuflich erwerben würde. Obwohl ich kein Frühstück mit gebucht hatte, durfte ich mir einen Kaffee an der Maschine ziehen und musste diesen nicht einmal bezahlen. Es schien also dass so etwas wie Kundenservice und Freundlichkeit noch nicht ganz ausgestorben sei. 

Ich ging wieder auf das Zimmer und stapelte alles auf den Trolley. Allerdings mussten Koffer und Taschen diesmal hochkant transportiert werden, da das Service Personal, welches sich in ihren Tarn-Anzügen gekleidet um die Reinheit des recht mager ausgelasteten Hotels kümmerte, drei Reinigungs-Trolleys auf dem engen Gang parkte. Ich belud also den Trolley, trank meinen Kaffee und begab mich ins Foyer um auf meine Frau und den Mietwagen zu warten. 

 

Es dauerte nicht lange und der Golf hielt vor dem Hotel. Wir verluden das Gepäck, gaben den Trolley ab und los ging es.

Da der Zwerg recht schnell ins Land der Träume entschwand, entschieden wir erstmal Meter zu machen. Die Strecke Frankfurt - Hannover sind wir beide bereits mehrfach gefahren und kennen den Weg. Wir fahren zügig, aber nicht rasend Richtung neue, alte Heimat. Geht auch nicht bei all den Baustellen. Immer wieder werden wir von Warnschildern, Barken und Absperrungen daran gehindert eine angenehme Reisegeschwindigkeit von 140 Stundenkilometern zu halten. Das erschreckende hier waren nicht die, wie auch früher schon, menschenleeren Baustellen an sich. Es war mehr die Tatsache, das sich anscheinend in den letzten zwei Jahren keine der Baustellen mehr als fünf Meter verschoben hatte. In Anbetracht der Abwesenheit von Bauarbeitern, war dies allerdings nicht allzu verwunderlich. Einer Theorie zufolge, die ich vor mehreren Jahren bereits aufstellte, gibt es in Deutschland lediglich nicht genug Lagerfläche für die Warnbarken, weswegen kontinuierliche Baustellen zum Zwecke der Zwischenlagerung erschaffen werden. Beweise findet man mitunter auf jeder Autobahn Deutschlands. Mittlerweile werden auch Städte und Gemeinden als Lagerfläche einbezogen.
Dazu aber mehr im nächsten Beitrag.
(Falls ich es vergessen sollte, bitte in den Kommentaren nachhaken. Oder Stichwort: PEINE an die 0800-WASSOLLDERSCHEISS)

 Wir kommen dennoch gut voran und unser erster Stopp wird ein Restaurant zur goldenen Möwe bei Kassel. Ein gewohnter Anblick, denn diese Raststätte ist uns noch immer gut im Gewissen verankert. Ein beliebter Ort für eine Rast, etwas abseits der Autobahn. Dennoch gab es genügend Auswahl. Aufgrund der fehlenden deutschen SIM Karte in unseren Mobiltelefonen, entschieden wir uns entgegen jeder Vernunft für die berühmte Fast-but-not-really-good-Food-Kette. Immerhin gab es hier WLAN, einen kleinen Spielplatz und etwas essbares.
Der Zwerg freute sich über die Chicken-Nuggets, dessen Panade wir entfernten und bekam ein kleines Plüschtier. Nach dem Essen, ging meine Frau das informieren und absprechen an, um die genauen Abholzeiten zu besprechen. Ich nutzte die Zeit um den kleinen etwas auszupowern und begab mich auf den Spielplatz. Dieser war Aufgrund Corona Maßnahmen und fehlender Desinfektion überwiegend abgesperrt. Immerhin war der Boden mit Gummimatten ausgelegt. Ich dachte hier kann ich ihn in Ruhe krabbeln lassen. Umrandet war der Spielplatz mit einem dreißig Zentimeter breiten Streifen an großen Steinen, bevor der Grasstreifen beginnt. Warum, das kann ich mir nicht erklären. Es macht für mich so absolut keinen Sinn. Auf den Matten kann er ungestört krabbeln und spielen. Auf der Wiese auch. Die Steine waren natürlich interessanter. Habe ich normalerweise auch keinen Stress mit. Wir sind nicht unbedingt die Eltern, die ihre Kinder mit der Sagrotan Flasche jagen und alles reinlich sein muss, bevor es erkundet werden darf. Da bleibt es nicht aus, wenn mal Sand, Erde oder auch mal ein kleiner Stein im Kind landet. Hat uns früher ja auch nicht getötet. Allerdings waren die Zwischenräume der Steine mit Zigarettenstummeln gefüllt. Diese Wiederum sind nicht nur ungesund, sondern können unter Umständen auch tödlich sein. 

Somit war ein unbeaufsichtigtes spielen lassen, nicht möglich. Und das auf einem Kinderspielplatz. Unmöglich.
Wir zogen um und er lief, an den Händen geführt, Richtung Mama. Diese telefonierte noch immer. Wir spazierten also eine Zeit umher und machten uns bereit für den vorletzten Teil der Reise für den heutigen Tag. 

 

Tom schlief auch diesmal recht schnell ein und der Rest der Fahrt war entsprechend ruhig. In Hannover angekommen gab es das erste Aufeinandertreffen in Deutschland mit einem bekanntem Gesicht. Sarahs Vater arbeitet hier und wir konnten das Gepäck umladen, bevor wir den Mietwagen am Flughafen abgeben konnten. Nachdem dies erledigt war, ging es also mit zwei Autos Kolonne Richtung Mietwagen Abgabe. Diesmal ohne nennenswerte  Komplikationen, war der Golf an die Mietwagen Firma zurück gegeben und wir fuhren in einem Auto in unsere vorläufige Wohnsituation in Müden. Mit zwei Zimmern und einem eigenen kleinen Wohnzimmer, sind wir mit ausreichend Platz versorgt. Wir haben einen Rückzugsort und können uns in den kommenden Wochen auf die deutsche Bürokratie stürzen. Mal sehen was da so für schöne Stories auf uns zu kommen. 

 

Deutschland hat uns erstmal wieder. Die ersten Tage sind für mich schon bereits hart an der Grenze des zumutbaren.
Aber wir harren den Dingen die da noch kommen. Der Wahnsinn steht uns ja noch bevor.  

 

 

 

 

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Kommentare: 3
  • #1

    Angelika (Mittwoch, 23 September 2020 11:34)

    Wie immer erfrischend zu lesen. Ich fühle mich immer als ich wäre ich mit euch gereist

  • #2

    Sabine Schoenhoff (Mittwoch, 23 September 2020 12:53)

    Es macht immer wieder Spaß dich zu lesen.....ich hab wie immer das Gefühl daneben zu stehen ��

  • #3

    Miri (Mittwoch, 23 September 2020 13:49)

    Deutsche freundlichkeit, Baustellen, verschmutzte Spielplätze und Bürokratie an der so manch einer verzweifelt. Ich fühle absolut mit dir.