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Der Osterhase mit Stempelkarte

VORWORT: 
Der nun folgende Text wurde bereits vor einiger Zeit geschrieben und ist nicht tagesaktuell. 
Die folgenden Zeilen ereigneten sich in einer anderen Zeit, als der heutigen. Kaum vorstellbar, aber so war es damals nun einmal. Der nun folgende Text ereignete sich vor vielen, vielen Monden in keiner-weit-entfernten Galaxis, sondern direkt hier in Braunschweig. Genauer gesagt, kurz vor Ostern. Das Fest zu Ehren des Mannes, der vor mehr als zweitausend Jahren den großen Hasenkönig vernichtete und damit den Weg in eine Neue Welt ebnete. Die Welt in der wir heute Leben. So oder so ähnlich ward es geschrieben und wird bis heute unangefochten auf der ganzen Welt geglaubt.

Ende März 2021

Es ist mal wieder an der Zeit. 

Es kommt mir vor als hätte ich schon seit sechsunddreißig Tagen nichts geschrieben. Aber das ist natürlich völliger Nonsens. Es waren lediglich FÜNFunddreißig Tage. Seitdem ist viel passiert.
Ach, was nicht alles passiert ist.

Also da war zum Beispiel....
Unter anderem natürlich.
Und auch einiges andere. 

Ich habe zum Beispiel den Müll runtergebracht. Einkaufen war ich auf jeden Fall, sogar mehrmals. Und auch Alt-Papier habe ich in den Container gebracht.  Habe was getrunken. Und viel, sogar sehr viel gegessen. Aber mal abgesehen von all dem ist irgendwie nicht viel passiert. 

Ja, da hat ein unachtsamer Fischer seinen Kutter im Suez Kanal quergestellt. So gut wie alle Konzerte und Festivals sind für den Sommer abgesagt worden, was für meine Branche ein weiterer Schlag ins Gesicht ist. Daft Punk haben sich aufgelöst (was mir ziemlich Schnuppe ist). Die Grünen bekommen einen unerwarteten Aufschwung bei den Umfragewerten, die CDU/CSU hat sich auch endlich für Sodom oder Gomorra entschieden, aber ansonsten ist die Politik wie zuvor uneins. Lockdown so weit das Auge reicht. Die Regeln jetzt Deutschlandweit, aber immer noch an Bedingungen geknüpft und im täglichen Wechsel. Man will gar nicht mehr mitverfolgen was da gerade entschieden wird. Aber hier ist halt auch das Problem. Wenn man nicht hinschaut, ist man ganz schnell mal wieder 90 Jahre in die Vergangenheit katapultiert. Aber was weiß ich schon von Politik? Eigentlich nicht viel. Weswegen ich auch der letzte bin, der hier Ratschläge verteilen wird. 


Die Existenz von Mutanten wurde offiziell bestätigt !!

 

Also Mutationen von Covid-19 wurden mehrfach bestätigt. Großbritannien, Südafrika, Brasilien und zuletzt Indien kommen mit neuen Varianten des Covid-19 um die Ecke. Eine traurige Fortführung der Panini Sammelhefte. Sammelt und tauscht eure Viren mit Freunden und Familien auf der ganzen Welt. Man fragt sich wie lange diese Pandemie noch andauern wird. Zumindest in Deutschland sehe ich noch kein Ende. Der einzige Grund warum Deutschland noch keine eigene Variante hat, ist wahrscheinlich, dass noch einige Formulare fehlen, ohne die eine Zulassung nicht möglich ist.

Ganz anders sieht es am anderen Ende der Welt aus. Gestern fand in Auckland, Neuseeland ein Konzert mit 50.000 Besuchern im Stadion statt. Ohne Abstände und Masken. 
Ich bekomme natürlich viele dieser Nachrichten ziemlich schnell mit. Durch meine News-Seiten, Einstellungen oder Facebook Gruppen, in denen ich seit Jahren die neuseeländischen Entwicklungen mitverfolge. Umso mehr schüren meine Gedanken die Zweifel an den Maßnahmen, die hier gelten.

Auch wenn ich Corona nicht leugne, zeigt sich mir doch ganz klar, das es nicht die Kinos, Theater oder Konzertsäle sind, die die Zahlen hochhalten. Sonst wäre das ganze ja schon lange vorbei, denn unsere Branche ist seit über einem Jahr im Lockdown. 

 

Aber jammern alleine hilft ja nichts. Von nichts kommt ja nichts. Ärmel hochkrempeln und anpacken heißt es jetzt. Ich schleppe mich also in die Küche und will einen Kaffee ziehen.

Zu meiner Verwunderung ist die Kaffeemaschine verschwunden. Wie, was, wo? 

Aus purer Verzweiflung, drehe ich mich verwirrt im Kreis. Da steht sie. Neben dem Kühlschrank. 
Waren hier Einbrecher am Werk? Oder Kobolde? Nein. Die Erinnerung kommt wieder und ich denke an den Tag, als ich das neue Sideboard die Treppen hochschleppte.
Stimmt! Es gab etwas Neues. Einen neuen Schrank in der Küche. Dort hatte auch die Kaffeemaschine ein neues Zuhause gefunden. Dennoch etwas ungewohnt. Man läuft, meistens vor dem ersten Lebenstrank des Tages, aus Gewohnheit an die falsche Stelle und stellt mit Entsetzen fest, das irgendwas anders ist. Ein Geist-erweckendes Getränk später geht es los. 

 

Das kann doch hier nicht das Ende sein. Den Rest des Lebens nun also mit Geschirrspüler aus- und einräumen, Müll herunter tragen, auf Termine warten oder einkaufen gehen, ist dann doch nicht so richtig erfüllend. Es muss was passieren. Und zwar schnell.

Es trennten uns doch lediglich ein paar Millionen zum glücklich sein, denke ich so vor mich hin. 
Klar, die Pandemie ist damit nicht beendet, aber immerhin hat man dann viel Zeug um sich zu beschäftigen. Autos mit denen man umher fahren kann, unzählige Games zum zocken, tausende Orte zu bereisen (auf Malle Urlaub machen ist ja auch irgendwie erlaubt, wenn auch völlig unsinnig) oder einfach nur tagelang sein Geld zählen. 

Wie heißt es so schön? Geld allein macht nicht glücklich. Aber ich bin lieber in einem 1956er Chevy Bel Air traurig, als auf einem Fahrrad mit kaputten Reifen.

Ist vielleicht aber auch ein persönliches Ding.

 

Wie dem auch sei. Woher kommt aber nun das ganze Geld, der Reichtum, der schnöde Mammon, wie Elwood Blues damals so schön sagte? Ich überlegte. Wo findet man die meisten Reichen Leute? Für Hollywood bin ich etwas spät dran. Und auch die Busverbindung ist nicht extrem gut ausgebaut. Ich könnte mich als Mode-Modell bewerben, was aber definitiv meinen Kontostand nicht erhöhen würde. Vermutlich müsste ich eher dafür zahlen. Fällt also auch aus. Was ist mit Firmenchef?
Ich werde schnell die unendliche Wissensquelle befragen, welche sich seit geraumer Zeit bewährt hat.

 

Enttäuscht stehe ich vor der geschlossenen Bibliothekstür. Corona bedingt geschlossen, besagt das Schild an der Eingangstür. Das war leider ein Reinfall und eine Verschwendung von Ressourcen. 

Der Gedanke an die Bibliothek von Alexandria kam mir in den Kopf geschossen. Die hat mit Sicherheit nicht wegen Corona geschlossen, die ist ja schließlich vor Jahrhunderten abgebrannt.
"Moment!" denke ich. Die Anreise könnte sich als schwierig herausstellen mit all den Reisewarnungen und Beschränkungen. Ist also auch keine schnelle Lösung. Na gut. Dann muss halt doch Google herhalten. Firmenchef und vor allem Firmengründer schien also ein sehr lukrativer Job zu sein. 

Man nehme nur mal Bill Gates (irgendwas mit Floppy Disks), Steve Jobs (Apfel-Farmer)
oder Jeff Bezoz (Einzelhändler mit Online Shop). Die sind alle Firmengründer. Haben als arme Schlucker angefangen und sind nun in der Lage jeden Tag eine warme Mahlzeit zu bekommen.
Wenn auch nur gerade so. Aber immerhin. 

 

Aber dann geschah etwas gänzlich unerwartetes. Eine Nachricht auf Facebook erreichte mich. 
Direkt an mich adressiert. Man hatte mitbekommen, dass ich wieder im Land bin.

Eine Jobanfrage flog ins Haus. Arbeit? Was war das doch gleich? In welcher Branche? Wovon reden wir hier? Tatsächlich war die Jobanfrage an mich gerichtet. Und aus der Branche der Veranstaltungstechnik. Die Hannover Messe sollte auch dieses Jahr stattfinden. Allerdings vollkommen digital. Und ich sollte nun bei den Livestreams mitmachen. Dafür sorgen das alles glatt läuft. Ich bin seit gut zweieinhalb Jahren vom deutschen Markt und dennoch wurde ICH angefragt. Zweifel kommen auf. Warum fragen die ausgerechnet mich an? Wollte den Job kein anderer?
Ich weiß es nicht. Aber es ist ein Lichtblick. Das gibt mir den benötigten Arschtritt um mich wieder aufzurappeln. Zurück auf die Füße zu kommen. Gut, die Anfrage ist recht kurzfristig, aber die Behörden in Deutschland sind doch flexibel und schnell bei der Sache, wenn es schnell gehen muss. 

Okay, setzen wir alles auf eine Karte. Volles Risiko. Ich setze das gesamte Vermögen, dass wir noch haben ein und zieh es voll durch. Ohne Rücksicht auf Verluste. 

 

Wir sind zurück in Deutschland. Ich habe lediglich zwei Jahre des rasenden Fortschrittes nicht mitbekommen, aber ich bin mir sicher, die Zeiten haben sich geändert. Man geht auf die gewünschte Homepage, füllt ein paar Formulare online aus und zack ist alles geregelt. Und über Ostern laufen die Ämter doch mit Sicherheit auf Hochtouren, damit jeder sein Anliegen schnell geklärt bekommt. 

 

 Was war ich doch naiv. 

 

Ich suchte online nach der passenden Behörde, klickte umgehend auf den Link auf dem eine Telefonnummer, eine Fax-Nummer und eine Email angezeigt wurde. 
Zudem der Verweis, das sich die Behörde nach den geltenden Corona Schutzmaßnahmen nur mit vorheriger Terminabsprache erreichen ließe. Zu deutsch: bleiben sie gerne weg. Das war nur für mich leider keine Option. Immerhin habe ich den Job bereits zugesagt. Es gab also kein zurück. Nur ohne einen Gewerbeschein, kann ich keine Betriebshaftpflicht beantragen. Außerdem muss ich ja alles noch mit den Freunden vom Arbeitsamt absprechen, sonst sind schnell wieder Kürzungen eingehandelt. Ich kürze hier mal ein wenig ab. Während der Gewerbeschein NUR rückwirkend beantragt werden kann, KANN die Betriebshaftpflicht NICHT zu einem bestimmten Datum beantragt werden, sondern erst, wenn ein Gewerbe bereits besteht. Klingt ja irgendwie logisch, oder?
Naja, wie dem auch sei, die Anträge und Behördentermine, oder eher der Kontakt per Telefon und Email, ging doch irgendwie über die Bühne. Nach und nach flattern also Briefe von allerhand Behörden, Beratern, Versicherungen und dergleichen ins den Briefkasten. Unter anderen auch der heißersehnte Gewerbeschein. Ein schlichtes ausgedrucktes Online Formular mit einem Siegel der Stadt auf der Rückseite. Aber die Optik war ja nicht entscheidend. 


Nun bin ich also wieder da, wo ich vor mehr als zweieinhalb Jahren aufgehört habe. 
Der CEO (Chief Executive Officer) einer eigenen Firma. 
Ein Geschäftsführer. 

Weitere Titel, die ich in meinem Großkonzern trage: 

  • Firmengründer
  • CFO - Finanzvorstand
  • HRM (Human Ressource Manager) - Personalchef
  • Familienvorstand (1. Generation)
  • Aufsichtsratsvorsitzender
  • Gleichstellungsbeauftragter
  • Vertrauensperson
  • Urlaubsvertretung
  • Putzkraft
  • Booking - Agent 
  • Head of Fuhrpark 
  • TelefonistINNEN
  • Last-one-standing
  • Typ, der halt die Jobs macht
  • Material-Wartungs-Beauftragter
  • CCO (Chief Content Officer) - Marketingbeauftragter
  • uvm.

Mit all diesen Titeln, besitze ich nun Visitenkarten im handlichen Taschenbuch-Format. Weswegen ich sofort eine Kleintransporter Flotte organisiere, die meine bestellten achtunddreißig Paletten Tag und Nacht in Bewegung halten und wahllos, aus dem fahrenden Transporter heraus, nichtsahnenden Passanten an die Birne knallen. Werbung die Wirkt. So werden mit Sicherheit die Jobanfragen laufend ins Haus fliegen und ich werde mich noch am nächsten Tag nach einer BürofachkraftINNENNNENNNENNNENEEENEN (richtig geGENDERt?) umschauen müssen. 

Das fühlte sich besser an, als lediglich Arbeitssuchender zu sein. Wobei, ich ja eigentlich auch nicht suchte, denn ich weiß ja das die Jobs in unserer Branche nicht existent waren. Dennoch wurde nie ein offizielles Berufsverbot ausgesprochen. Sonst hätte die Regierung nämlich ganz andere Kosten abdecken müssen. Deswegen, wurden zwar alle Veranstaltungen über fünf Personen untersagt, aber rein offiziell dürfen wir unseren Beruf natürlich ausüben. Die Praxis zeigte hier mal wieder eine andere Seite. Nämlich keine Arbeit. Naja, aber so eine international sehr gefragte Messe, kann ja auch mal rein Online stattfinden. Per Streaming Dienst. Mit Zoom Calls von der Kanzlerin, diverser Chefs großer Konzerne, national und international und Gesprächsrunden über die Zukunft und neue Technologien. Aber bis dahin sind es noch ein paar Tage. 

Mit all den neuen Posten, die ich inne hatte, schaute ich selbstbewusst auf das Konto. Zu meinem erstaunen hatte sich über die letzten Tage nicht viel getan. Keine Rekord Einzahlungen. Eigentlich gar keine neuen Einzahlung. Im Gegenteil. Lediglich Geldabgänge sind zu sehen. Naja, die ganzen Anträge kosten ja schließlich. Aber man zahlt doch gerne mal sechzig Euro hier für einen Stempel der Stadt Braunschweig und überweist ein paar andere Rechnungen im Voraus, damit alles schnellstmöglich läuft, oder? Nur die vielen Gehälter waren noch nicht eingegangen. Ich versuche den Chef per Telefon zu erreichen um die Sache auf dem kurzen Dienstweg zu klären. Das Telefon klingelt nicht. 
Lediglich eine Ansage kommt an mein Ohr. So etwas wie, hören sie auf sich selbst anzurufen. 

Hmm...dann eben von Auge zu Auge. Totaler Konfrontationskurs. Ich gehe ins Bad. Vor dem Spiegel stelle ich den Chef zur Rede und erfahre, ich solle erstmal was einnehmen, bevor ich Geld verlange. 
Das war leider der Haken an der Sache mit der Selbstständigkeit. Keine Einnahmen, kein Gehalt. 
Aber das soll sich ja bald ändern.  

 

Jetzt nur noch schnell die Osterfeiertage hinter uns bringen, dann steht der erste Job seit langer Zeit ins Haus. Ich bin gespannt, was da auf mich zukommt. 

 

 

 

 

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Kommentare: 3
  • #1

    Richard Rhys Jones auch Reggie genannt. (Sonntag, 20 Juni 2021 08:54)

    Haste Medikamente noch oder brauchste Nachschub?

  • #2

    Sven (Sonntag, 20 Juni 2021 12:26)

    Wenn du so fragst, ich würde ne neue Lieferung nehmen. Du hast meine Adresse �

  • #3

    Reginaldus, doctor to the Stars. (Montag, 21 Juni 2021 05:32)

    You know my rates, send the money and I'll bring the medicine...