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Mit der Klima durch die Service-Wüste

Wir sind momentan noch nicht im Besitz eines eigenen PKW. Das ist gerade für mich, als bekennender Auto-Narr, nicht immer leicht. Die Freiheit zu haben, jederzeit einfach schnell ins Auto zu steigen und wo auch immer hinfahren zu können, fehlt mir ein wenig. Aber auf der anderen Seite, sind das einfach Kosten, die wir uns gerade sparen können. Feste Termine haben wir ja nicht. Der Einkaufsladen ist keine 150m entfernt und versorgt uns mit dem alltäglichen. Falls doch mal etwas anderes benötigt wird, kann man gemütlich in den 1,7 Kilometer entfernten Nachbarort pilgern und dort bei einem etwas größeren Supermarkt shoppen.  Zur Not gibt es ja auch noch Bus, Bahn und Kutsche, die einen in weiter entfernte Gegenden transportieren können. Dieses Angebot nutzen wir recht selten. Zum einen bin ich kein großer Fan von öffentlichen Verkehrsmitteln. Meistens fuhren sie für mich zu Zeiten, die ich nicht gebrauchen kann. Die 40° Celsius Innentemperatur kann ich auch in unserer Dachbodenwohnung erreichen, bei falscher Lüftung. Hier darf ich aber zumindest die Maske weglassen und habe zur größten Not noch kaltes Bier zur Hand. Beides nicht erlaubt in den Öffis. 
Zudem kommt diese wunderbare App der Braunschweiger Verkehrsbetriebe erschwerend hinzu. Ich war von der Idee begeistert. Da ich selten Bargeld mit mir herum trage, ist es eher schwierig eine gültige Karte zu ziehen. Oder man hat einen viel zu großen Schein und bekommt einen 10-Zentner- Sack Kleingeld zurück, welches dann den bestiegenen Bus an seine Zuladungsgrenze bringt und man auf den Ersatzbus warten muss. Also warum nicht einfach per App die Karte kaufen und einfach schnell vorzeigen. Wenn es denn so einfach wäre....
Zahlungsdaten speichern für den nächsten Kauf? Geht nicht. Jedes mal muss man den kompletten Kaufprozess durchlaufen anstatt man z.B. eine Kreditkarte, PayPal oder auch nur ein Konto zu hinterlegen, von dem die gebuchten Fahrkarten einfach abgebucht werden. Nein, nicht mit unserem hoch gelobten Datenschutz. Der Kauf läuft also folgendermaßen ab. 

  1. Gewünschte Route raussuchen
  2. Fahrkartentyp wählen
  3. Persönliche Daten eingeben (falls man für jemand anderes kaufen möchte)
  4. Zahlungsart auswählen
  5. Bei PayPal einloggen und Bezahlung freigeben
  6. In der App Kauf bestätigen
  7. Die Bestätigung abwarten

Bitte folgendes mit der Stimme von Jonathan Frakes aus "X-Faktor: Das Unfassbare" lesen: 

Die Älteren oder Nostalgie-Fanatiker erinnern sich.


"Sie glauben, sie hätten nun ein gültiges Ticket? Tja, da muss ich sie leider enttäuschen.
Diese Geschichte ist frei erfunden."  

 

Denn jetzt steht zwar die Bestätigung auf dem Display, allerdings gibt es jetzt weder einen QR Code noch einen Strichcode. Dieser kommt erst in der Email !! Ganz genau. Jetzt schicken die Verkehrsbetriebe eine Email, mit der Fahrkarte. Also öffnet man sein Email Postfach. Aktualisiert den Eingang, während der Bus, den man gerne nehmen möchte bereits in Sichtweite ist. 

Zack, eine neue Email kommt umgehend ins digitale Postfach geflattert. Die Bestätigung von PayPal über die geleistete Zahlung. Diese Email kommt IMMER als erstes an. 

Danach, der Bus hält nun vor einem an, aufgrund der Maske beschlägt die Brille, man versucht auf dem Display nach der Email zu schauen und erklärt dem Busfahrer, man habe soeben eine Karte über die App gekauft. Dieser schaut einen fragend an, winkt einen durch und sagt IMMER folgenden Satz: "Das mit dem Internet dauert immer etwas länger. Wird schon stimmen."  

 

Doch wie bin ich jetzt auf das Thema Bus und Bahn gekommen? Ach ja, das Luxus-Problem kein eigenes Auto zu haben. Früher oder später wird sich das auch wieder ändern. Wenn man wieder Termine wahrnimmt. Also mehr als ein oder zwei im Monat. Ein paar feste Treffen, Kurse für den Zwerg oder ins Auto-Kino möchte, ohne Blöd angeschaut zu werden, wenn man mit einer selbstgebauten Seifenkiste vor fährt und den Menschen am Ticketschalter mit "Brumm brumm" begrüßt. Also irgendwann wird definitiv wieder ein eigenes Auto vor der Tür stehen.
Oder ein Panzer?! Brauchen Panzer eine grüne Plakette um in die Innenstadt zu fahren? Die würde man ja kaum sehen auf dem restlichen grün. Oder hätten Politessen zu viel Respekt davor einen Parkticket auszustellen? Ich schweife ab. Mal wieder. 

Hin und wieder leihen wir uns also ein Auto von Freunden oder Familienmitgliedern aus. Zumeist ist das der Wagen meiner Mutter. Sie benötigt ihn nicht allzu oft und wir haben diesen meistens für ein paar Tage oder sogar Wochen. Als Dankeschön vergessen wir zu tanken, stehen wie viel zu oft unter dem Baum mit den Tauben und bringen ein leeres, vollgeschissenes Auto zurück. Das ist nicht nett, vor allem, wenn man bedenkt, das wir das Auto umsonst nutzen können. Also hatte ich vor, mich an den laufenden Kosten zu beteiligen. Gerade letzte Woche hatten wir ein Gespräch, dass die Klima nicht mehr richtig kühlt. Das war nett ausgedrückt. In der Realität fühlt es sich an als ob man im Warteraum der Hölle sitzt und eine Vorstufe der nun folgenden Temperaturen erhaschen kann. (Disclaimer: Es liegen keine Referenzwerte vor. Der hier genannte Vergleich basiert lediglich auf meiner kaputten Fantasie und kann durch keinerlei Statistiken oder Augenzeugenberichte belegt werden.) Die letzten Tage waren dezent warm. Temperaturen über 30° Celsius waren keine Seltenheit und das teilweise über mehrere Tage am Stück. Dadurch kühlt es auch Nachts kaum herunter. Wenn man dann mit dem Auto unterwegs ist, egal ob Kurz- oder Langstrecke, bringt auch die Fahrt bei offenen Fenstern recht wenig. Der Fahrtwind ist auch nicht kälter als die Luft im Auto. Ich beschloss also die Klima neu befüllen zu lassen. In der Hoffnung, dass die Klimaanlage nicht beschädigt sondern lediglich leer sei, ging ich entschlossen das Problem an.

 

Es war ein Samstag. Die meisten Werkstätten schließen gegen Mittag die Tore. Eine etwas weitere Fahrt am Nachmittag, ließ mich dennoch den Versuch wagen. Vielleicht rufe ich vorher einfach kurz durch und erkundige mich. Der Versuch scheitert. Ich wähle die Nummer erneut. Wieder kein klingeln. Nun gut, ab ins Auto und los. Die besagte Werkstatt war zumindest schon mal geöffnet. Vor der Tür steht ein wunderschöner neuer Ford Mustang in der "Bullit" Edition.  Also ganz nach meinem Geschmack. Beim betreten des Geschäftsraumes, sehe ich weitere schöne Exemplare der Automobil Geschichte. Ersteindruck Hervorragend. Leider auch nur der erste.  Klimaanlage befüllen wäre am Samstag nicht möglich. Das Team ist Samstags mit halber Stärke vor Ort und konzentriere sich lediglich auf den Reifenservice. Der nächste Termin sei auch erst in einer Woche möglich. Das ist mir leider etwas spät. Ich fragte nach dem nicht klingelnden Telefon. Die Telefonanlage sei seit zwei Wochen kaputt und der Provider bekäme die Probleme nicht in den Griff. Autsch. Das kann für eine kleine Firma auch schnell mal das Ende bedeuten. Wenn ich bedenke, dass ich in meinen Hoch-Zeiten, für zwei Wochen auf mein Handy verzichten müsste, wären mir aber so einige Jobs flöten gegangen. Und hier reden wir von einer kleinen KFZ Werkstatt. Unvorstellbar. Willkommen in der Service Wüste Deutschland. Sogar mit passenden Temperaturen. 

 

Ich versuche mein Glück noch bei einer anderen Werkstatt, bevor ich bei Nummer drei, einer großen Kette, doch noch Erfolg habe.  Termin um dreizehn Uhr. Ich liefere das Auto gegen eins vor Ort ab und habe nun ein bis zwei Stunden, je nachdem was gemacht werden muss. Kleine oder große Wartung.  

Nun habe ich also Zeit zu überbrücken, während ich auf die erfrischende, kalte Luft warte, die mir das Auto hoffentlich bei der Rücknahme entgegenpustet. Google Maps zeigt mir eine große Grünfläche in der Nähe. Das kann sich jetzt entweder um einen Wald/Park handeln, oder eine gigantische Industrieanlage, dessen Lagerhallen mit Rollrasen und Begrünung bedeckt worden sind, weil der Besitzer sich um die Umwelt sorgt und er den örtlichen Tieren eine neue Heimat geben will. Hier laufen dann Rehe, Wölfe und Kleintiere auf den Dächern herum und freuen sich ihres Lebens, bevor sie von einem örtlichen, dem Wohle des Tieres dienenden, Jägers in die Kühlhäuser umgesiedelt werden. Es stellt sich heraus es ist Ersteres. Ganz in der Nähe befindet sich der
Prinz-Albrecht-Park. Der rund 58 ha große Park wurde um 1900 fertig gestellt und besteht neben vielen großangelegten Grünflächen, einem Skate-Park, einem Aussichtsturm, einem Denkmal und vielen Gelegenheiten sich entspannt zurückzulehnen. Ich wandere nun also durch den Park und komme in einen Bereich mit großen Bäumen, deren Schatten ich bei der Hitze gut gebrauchen kann. 

Unter den hohen Baumkronen befinden sich zahlreiche Wander- und Radwege. Ich bekomme einen Anflug von Heimweh. Es erinnert mich stark an den Mt. Victoria in Wellington. Ein Berg mitten in der Stadt, durchzogen mit Wanderwegen, dichter Bewaldung, heimischer Flora und Fauna und wunderschönen Panorama Aussichten über Wellingtons schöne Küstenlinien. Hier sind wir viel gewandert. Noch bevor unser kleiner Engel das Licht der Welt erblickte und auch danach. Ein kleines Idyll mitten in der Hauptstadt. Doch bei näherem Betrachten fand ich immer weniger Parallelen. Ja, dieses Netz aus Pfaden, kam dem sehr Nahe. Jedoch fehlte die Beschilderung. Die Routen am Mt. Vic hatten Markierungen zur Orientierung. Außerdem musste ich wieder erschreckend feststellen wie viel Müll hier überall herumliegt. Ich konnte keinen Meter weit gehen, ohne nicht das nächste Stück zu entdecken. Benutzte Taschentücher, Plastikflaschen, leere Bier-Kartons an vielen der Bänke, gebrauchte Tampons und vor allem Mund-Nasen-Masken. Unzählige gebrauchte Masken flogen hier herum. Bäume sind mit Graffiti beschmiert. Tausende Kippenstummel. Überall findet man Abfall. Es ist absolut nicht schön hier spazieren zu gehen. Mit dem Mountainbike ist es bestimmt eine tolle Area. Viele steile Hänge, ein tolles Gebiet zum auspowern, mitten in Braunschweig. Ich gehe ein Stück aus dem Wald heraus und entdecke den Aussichtspunkt. Umrandet mit einer Mauer, sieht der Bereich von weitem recht interessant aus. Die Aussicht hingegen ist etwas trist. Wiesen soweit das Auge reicht. Leider braucht auch hier die Erde viel mehr Wasser und eine große, fast schon Steppen-artige, Fläche erscheint vor mir. Da hatte ich etwas mehr erwartet, muss  ich mir eingestehen. Von dem ehemaligen Exerzierplatz ist nichts mehr zu sehen. Vielleicht bringt mir die Aussichtsplattform den erwünschten Anblick. Irgendwas muss es doch hier geben, weswegen man hier so etwas erbaut. Nach einem Blick auf ein Denkmal, zu Ehren Johann Elias Olfermann, ein Generalmajor aus Braunschweig, ging es nun also Richtung Aussichtsplattform. Die Plattform eher schlicht gehalten, ist komplett mit Graffiti besprüht und erinnert eher an ein verlassenes Bahnhofsgebäude. Eine Treppe führt auf das Dach, von wo aus die Aussicht genossen werden kann. Auffallend ist vor allem die Abwesenheit von Sitzbänken. Während in dem Waldstück und auch auf den Flächen drum herum viele Sitzbänke zum verweilen einladen, gibt es auf der Plattform selbst keine einzige. Auch die Aussicht ist eher spärlich. Man schaut über eine weite Dürre, die lediglich von zahlreichen, am Wegesrand aufgestellten Mülleimern unterbrochen wird. Es erscheint wie ein surrealer Anblick. In der Steppe sprießen im Hochsommer die Mülleimer entlang der Wege. Ein Naturschauspiel welches man fast ausschließlich von diesem, in Sprühlack gekleideten, Turm bestaunen kann. Nach dem Abstieg des gigantischen Bollwerk, deutscher Handwerkskunst, begehe ich den Fehler und schaue etwas zu weit in den unteren Teil des "Turmes". Der Uringeruch beißt sich in Nase und Augen fest und fragt höflich nach der Herausgabe eines Tränchens. Ich schreite schnell zurück und entferne mich schnellstmöglich, ohne meine geliebten Wander-Jandals (FlipFlops für die deutschen) zweckentfremden zu wollen. Ich mache mich auf den Rückweg zur Werkstatt. 

Eine weitere Wanderung unter hohen Bäumen, auf Gehwegen überwuchert von Sträuchern, über hin und wieder umgestürzte oder gefällte Bäume, die auf den Wegen lagen. Jetzt könnte man denken, da kommt ein Landschaftsbauer und entfernt diese Giganten der Wälder, oder sägt zumindest eine Schneise, dass die Wege wieder frei begehbar / befahrbar sind. Die Schneise ist auch meistens da. Nur habe selbst ich mit meinen schmalen Waden teilweise Probleme, diese durch die dafür vorgesehene Öffnung zu schieben, ohne mein Bein aufzuratschen. 

 

Ich beschließe den Rückweg anzutreten. Ohne auf den Anruf der Werkstatt zu warten, mache ich mich auf den Weg. Dort angekommen sehe ich  das Auto bereits außerhalb der Halle. Ein gutes Zeichen. An der Rezeption, empfing mich die Dame freundlich und wir konnten das geschäftliche Abschließen. Die Papiere zurück, die Rechnung begleichen und das aushändigen der Schlüssel. 

Beim Zahlungsvorgang muss ich lediglich ein wenig schlucken. Das war etwa doppelt so hoch wie vor ein paar Jahren bei meinem Buick. Und es war tatsächlich nur die kleine Wartung bzw. Befüllung. Naja, was soll man schon machen. Besser als bei jeder Fahrt zu schwitzen. 

 

Wenn auch der Park etwas zu sehr enttäuschte und meine Laune ziemlich runterzog, ist zumindest die Hauptaufgabe erfüllt und ich sitze in einem Auto mit funktionstüchtiger Klimaanlage. Die geplante Fahrt am Nachmittag kann nun also, wenn gewünscht,  in sibirischer Kälte unternommen werden.  Wir fahren zwar gen Norden, allerdings nicht so weit, das wir unsere Expeditionsanzüge einpacken müssten. Weswegen die Klimaanlage auch nur dezent eingesetzt wird und wir mit lediglich milden Temperaturen die Reise antreten. Dennoch ein deutlich höherer Fahrtkomfort als in der brütenden Hitze, den warmen Fahrtwind um den Kopf wirbeln zu lassen. 

 

Mission accomplished !!

PS: Die Bilder sind mit dem Smartphone entstanden und qualitativ eher mäßig :)

 

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