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Tag 24 - Santa in Retro-shorts

08:12 Uhr

Ich denke, es ist an der Zeit euch die weitere Geschichte zu erzählen, die uns letztendlich hier ans Ende der Welt gebracht hat. 

Als wir 2015 aus dem Urlaub zurückkehren, stand für uns fest, wir wollen den Schritt wagen. Dazu gibt es natürlich einiges zu erledigen, zu planen und in Erfahrung zu bringen. Wie plant man die komplette 180 Grad Wendung in seinem Leben? Kann man so etwas überhaupt planen? Wir wussten natürlich grob was wir brauchen zum Leben, was wir uns erträumten und was unser Minimum war. Da hört es aber auch schon auf. Es gilt nun also Informationen einzuholen und alle möglichen Quellen einzubeziehen, die sich finden lassen. 

Eine Sache die man nicht erwarten darf ist Sicherheit, eine Garantie oder gar Richtlinien. Zum einen weil Neuseeland einfach ganz anders tickt als Deutschland, zum anderen sind die Einreise bzw. Visa Bestimmungen sehr streng. Was uns nicht davon abhält, es zu probieren.

Ohne Netz und doppelten Boden sollte es also einfach so in ein neues Leben gehen. Das klingt verrückt. Und das war es auch.

 

 

10:07 Uhr 

Bevor der große Schritt aber gemacht wird, kommt noch eine weitere Stufe auf der Leiter des Lebens. Als der schönste Tag im Leben einer Frau, wird er gerne mal beschrieben. Wir wollten unsere Beziehung auf ein neues Level heben und den Bund fürs Leben eingehen. Ein bisschen Sicherheit sozusagen. 2016 sollte es soweit sein. Die Planung war abgeschlossen, die Einladungskarten verschickt und der große Tag rückte näher. Mit dem großen Traum vor Augen, sollte dies natürlich nicht allzu sehr ausufern. Vielleicht eine kleine Feier im privaten Rahmen, mit anschließendem Essen gehen und ein paar Drinks am Abend in etwa. Gesagt, getan. 

 

Um bei der Wahrheit zu bleiben, es wurde dennoch etwas größer. Und "etwas" ist hier als "deutlich" zu verstehen. Die Gästeliste war länger als die Bibel, das Budget schoss in die Höhe wie einst die Apollo 11 Rakete und die Location Ansprüche wuchsen schneller als der wütend gewordene Hulk. Das ganze endete mit über einhundert geladenen Gästen, dem mieten eines kompletten Rittergutes inklusive Ruine eines Kirchenschiffes und einem Tag prall gefüllt mit Aktivitäten, Spielen, massig Speis und Trank und einer großartigen Atmosphäre, die uns den Tag unvergessen machten. Der einzige Wermutstropfen war, es war viel zu kurz. Eine viel zu kurze Zeit unter solch vortrefflichen Hobbits könnte man ihn zusammenfassen. Ein Tag der vielen lange Zeit in Erinnerung blieb und teilweise bis heute ist.  

 

Dieser Tag leitete nicht nur unsere Trauung und den zukünftigen gemeinsamen Lebensweg ein, sondern ebenfalls eine selbst auferlegte Frist. Innerhalb der nächsten zwei Jahre sollte das Wagnis Neuseeland angegangen werden. Andererseits findet man immer Gründe es aufzuschieben. Man setzt sich ein Ziel, wie viel Geld gespart werden sollte, und entscheidet dann, dass mehr Geld nie schaden kann.
Das ist nicht falsch, aber man verzögert alles weiter und weiter. Also war 2018 als grobes Ziel festgelegt. 

 

Ich nahm während der folgenden zwei Jahre so gut wie jede Tournee und jeden längerfristigen Job an, der mir angeboten wurde. Meine Frau tat dasselbe, nur das sie eher lokal unterwegs war und sich auf Messen und Konferenzen konzentrierte. Folglich war dies eine Zeit, wo man sich nicht sehr oft sah, da ich sehr viel unterwegs und teilweise nur alle paar Wochen zu Hause war. Die Zeit rannte förmlich und der angepeilte Termin kam näher und näher. Wie nun also vorgehen. Wir setzten alles auf eine Karte. Ohne Rücksicht auf Verluste. Die Tickets waren gebucht, der grobe Plan stand. Meine Gemahlin, durfte mit einem Work and Travel Visum einreisen, da sie etwas jünger ist. Ich hingegen war mit einem verlängerten Urlaubs-Visum an ihres gebunden. Wir reduzierten die Kosten auf ein Minimum um einen möglichst guten Start hinzulegen. Wir kündigen die Wohnung einen Monat vor dem Abflugdatum und lebten drei Wochen in dem Wohnmobil der Schwiegereltern. Alles was nicht unbedingt notwendig war, wurde zum Verkauf angeboten und wir trennten uns von so gut wie allem. Lediglich eine Garage mit Kartons, meiner Harley und den Sachen, die wir nicht verkauft bekommen haben, blieben zurück. 

 

13:40 Uhr

 Der Flieger ging im Oktober 2018. Starten sollte das Abenteuer in Auckland, der größten Stadt Neuseelands. Hier schauten wir uns nach einem fahrbaren Untersatz um. Wir wollten möglichst mobil sein und die Zeit, bis wir einen Job finden sollten, mit reisen verbringen. 

Die Nordinsel stand diesmal auf dem Plan. Meine Frau hatte diese noch nie betreten und wir wollten uns auch hier umsehen, bevor die Jobsuche starten sollte. Im Dezember dann, fingen wir an, effektiv nach Jobs zu suchen. Zu Weihnachten besuchten wir wiederum die Freunde auf der Südinsel. Die Jobsuche war bisher nicht unbedingt von Erfolg gekrönt und wir hatten nichts konkretes in Aussicht. Man besuchte einige Firmen, aber die meisten hatten kein Bedarf an einem Festangestellten. Und selbstständig arbeiten, war uns nicht erlaubt. 

Beim campen über die Weihnachtsfeiertage, kam dann ein Bekannter auf einen Kaffee vorbei, den ich ebenfalls 2010 auf der VW Bus Tour kennengelernt hatte. Dieser gab mir einen Kontakt in Dunedin. Ein erster Schritt in die richtige Richtung. Ich entschied mich gegen eine schriftliche Bewerbung und wir fuhren im Januar dorthin. Der Januar ist in Neuseeland Haupturlaubszeit und die meisten Firmen sind geschlossen. Ich hatte Glück. Von seinem dreiwöchigen Urlaub war mein Ansprechpartner genau dreißig Minuten im Büro. Zu der Zeit, wo ich bei ihm auflief. Leider war das Ergebnis dasselbe wie bei den meisten anderen. Keine Festanstellung, aber immerhin ein paar mehr Kontakte und Anlaufstellen. 

 

Wir bereisten nun ein wenig die Südinsel. Es musste langsam was passieren, wenn das Projekt nicht als gescheitert enden sollte. 
Meine Frau, fing an Heimweh zu bekommen, die Fahrerei fiel ihr immer schwerer und die ungewisse Situation machte uns langsam zu schaffen. Wir befanden uns in der Gegend um Queenstown, als wir eine alles verändernde Nachricht bekamen. Wir erwarteten ein Kind. 
Was für ein Schock! Doch eine freudige Nachricht, als der erste Schock überwunden war. Wie sollte es nun weitergehen mit Neuseeland? Sollten wir die Pläne canceln und wieder zurückfliegen? Nein! Wir gaben uns noch drei weitere Monate. Das zu erwartende Geburtsdatum war im selben Monat, als unser Visum ablaufen sollte. Somit war der Zeitraum deutlich kürzer geworden. Außerdem war die Chance, dass meine Frau eine Arbeit findet gegen Null in der jetzigen Situation. Rund einen Monat voller Zweifel und Überlegungen was nun richtig sei später, bekam ich einen Anruf. Wir hatte unseren Camper inseriert und wollten ihn gegen einen PKW tauschen, um noch mobiler zu bleiben, meiner Frau das reisen zu vereinfachen und das leben im Camper fiel uns sowieso nicht mehr so leicht. Ich wollte Abends meistens noch am Rechner "arbeiten", während sie das Bett bevorzugte. Unser Camper bot nur entweder die Sitzbank mit Tisch oder eben das umgebaute Bett. Unzählige Angebote, verliefen sich im Sand und so richtig konkret wurde es auch hier nicht. Die Zeit rannte uns davon. 

 

Wir saßen in einem kleinen, gemütlichen Kaffee und die Getränke waren bestellt. Das Telefon klingelte. Der Empfang war nicht der beste, also ging ich hinaus. Gute dreißig Minuten später kam ich wohl, kreidebleich, wieder ins Café. Meine Frau hatte bereits beide Moccachinos getrunken, während sie ungeduldig wartete. Ich setzte mich. Es war kein Interessent an dem Camper. Es war ein Angebot zum Probearbeiten. Wir besprachen vertragliche Details, Gehälter, Urlaubstage und relevante Papiere etc. Das war ein absolut ernstes Angebot. Sie waren sehr interessiert an mir, da meine Fähigkeiten, besonders im Bereich LED Wände, in Neuseeland schwer zu finden seien. Einziges Problem. Der Firmensitz war in Wellington. Auf der Nordinsel. Wir brachen sofort auf und Anfang Februar hatte ich mein Probearbeiten. Der Chef war überzeugt. Nun mussten nur noch die Papiere fertig gemacht werden. Ich hatte nur noch kein Arbeitsvisum. Auch daran half der großzügige Chef kräftig mit. Alles was ich brauchte, lieferte er mir umgehend ab und ich konnte den Prozess ins Rollen bringen. Wenn dies alles klappen sollte, durften wir erstmal bleiben. Ein Lichtblick am Ende des Tunnels. Und was für einer.

 

 

17:49 Uhr 

Der Papierkram zog sich einige Zeit hin, doch wir lebten uns so langsam ein. Wellington hatte einen sehr eigenen Wohnungsmarkt. Die Mieten waren recht hoch, die Anzahl an Bewerbern noch höher. Richtig gelesen. Man bewirbt sich sozusagen auf eine Wohnung. Nach der Besichtigung schreibt man die Anfrage an den Vermieter und gibt Rezessionen, wie etwa Arbeitgeber, letzten Vermieter oder ähnliches an, damit sich der Vermieter erkundigen kann, was für eine Person der neue Mieter ist. Das ist natürlich schwierig, ohne Kontakte, ohne festen Job und Einnahmen. Das Telefonat ging bei meinem zukünftigen Chef ein. Dieser bestätigte nicht nur, das ich ein zuverlässiger Kerl bin, den er schon länger kennt, sondern auch, das mein Arbeitsvertrag nur eine Frage der Zeit sei. Ich erwähne noch mal kurz, das war nach einem Tag Probearbeiten und zwei Gesprächen in lokalen Cafés. Was ein geiler Typ. Bis heute. 

 

Long story, short. Ich bekam den Job. Wir bekamen die Wohnung und hatten eine Basis. Mir wurde ein Ein-Jahres-Arbeitsvisum bewilligt. 
Etwas enttäuscht, fand ich heraus warum. Seit meinem letzten prüfen auf der Immigrations Homepage, wurde der Mindestlohn erhöht. Das Problem hierbei war folgendes. Das neuseeländische Gesundheitssystem deckt alle Menschen ab, die permanent hier wohnen. Aber nur wenn man eine Aufenthaltsgenehmigung von mindestens 24 Monaten hatte. Somit, war weder ich noch meine Frau Krankenversichert. Das würde wiederum bedeuten, die Kosten für die Geburt, hätten wir selbst tragen müssen. Ich sprach mit meinem Chef darüber und dieser wollte die Gründe ebenfalls Wissen. Der Stundenlohn war wie gesagt zu gering. Seine Antwort war lediglich: "Wieviel brauchst du? Ich setz den neuen Vertrag auf."
Die Bearbeitung ging nun deutlich schneller. Vier Wochen später, kam mein Arbeitsvisum erneut per E Mail. 

Drei Jahre. Somit waren wir angekommen. Meine Frau konnte ihrerseits ein Partnership Visum beantragen, welches an meins gekoppelt ist. Nach fünf sehr, sehr, sehr spannenden und ereignisreichen Monaten waren wir also fast am Ziel. Und um ehrlich zu sein, hätten wir uns keinen besseren Start wünschen können. Wie vor allem jetzt, in den Corona Zeiten mehrfach bewiesen wird. 

 

Angekommen in der neuen Welt waren wir nun also. Jetzt sollte die nächste Herausforderung folgen. Die Geburt unseres ersten Kindes. 

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Sabine (Montag, 20 April 2020 03:36)

    Oha, da habt ihr ja viele emotionale Momente gehabt und ich kann mir vorstellen was euch für ein Stein vom Herzen gefallen ist als der Arbeitsvertrag endlich kam...liebe Grüße an die Familie aus dem sonnigen aber im Augenblick noch kühlem Deutschland :*

  • #2

    Angie (Montag, 20 April 2020 18:33)

    Ohja, die Hochzeit war ein Traum. Es war mir eine Ehre dabei gewesen zu sein. Und hey eure beiden roten Barhocker warten hier auf eure Hintern :-)