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T - 1 oder um Mitternacht geht das Licht aus

Mittwoch.

4 Uhr morgens

Unser kleinster Mitbewohner hat seinen ersten kleinen Schnupfen. Oder Corona?

Eher nicht. Einfach nur eine laufende Nase. Das gefällt ihm leider nicht so wirklich und er schläft nicht besonders gut. Nachdem wir bisher mit seinen Schlafgewohnheiten absolut keine Probleme hatten, mit langen Schlafphasen und kaum Geschrei, sind die letzten Nächte doch etwas öfter unterbrochen worden. Um vier Uhr morgens dann der Weckruf.

Kurzerhand Stellungswechsel in unser Bett und die erste Krise des Tages ist überwunden.

 

 

8.34 Uhr

Keine 24 Stunden bis das Land in den Lockdown geht. Es gibt also viel zu tun, um uns für diesen Ernstfall vorzubereiten.

Also besser keine Zeit verlieren und die restlichen verbleibenden Stunden effektiv nutzen, und uns bestmöglich auf die 4-wöchige Quarantäne vorzubereiten…

 

Nach einem langen und ausgiebigen Frühstück mit Bacon, Eiern und Toast, dann endlich aktiv werden. Wo hab ich nur meinen Kopf?

Da hätte ich doch fast den zweiten Kaffee vergessen. Es ist immer wieder erstaunlich, wie mein Körper wie selbstverständlich mein Handeln und alle notwendigen Vitalfunktionen übernimmt, bis der erste Kaffee des Tages mich vollends aktiviert und ich in der Lage bin, mein Hirn einzusetzen um selbstständig Entscheidungen zu treffen. Wir alle müssen in diesen Zeiten unsere Opfer bringen. Ich habe meine zweite Tasse auf Instant Kaffee umgestellt, da der Espresso aus der Delonghi Maschine nicht gerade günstig ist. Ich weiß, das ist kein sonderlich großer Beitrag, aber ein kleiner Schritt. Und jeder der mich kennt, weiß wie sehr ich guten Kaffee schätze. Der Instant Kaffee schmeckt übrigens genauso wie er klingt. Aber auf der anderen Seite erinnert er mich an tolle Zeiten auf der Südinsel Neuseelands. Ein Freund von mir hatte diesen immer bei sich zu Hause. Ich konnte diesen nie wirklich genießen, aber die Gespräche, die Unternehmungen und vor allem das Gefühl von einem zuhause, haben überwogen.

 

 

11.21 Uhr

Zeit aktiv zu werden. Na gut, vielleicht noch einen Kaffee, aber dann geht's so richtig los.

Das Whiteboard aus dem Home-Office gezerrt, die Spinnweben entfernt und die noch vorhandene Liste mit Dingen zu erledigen weggewischt. Diese Dinge waren nun nicht mehr wichtig.

Jeder der seit Jahren die Ausrede vor sich herschiebt, das er dies erledige wenn er Zeit hat, tut mir irgendwie leid. Jetzt hat er Zeit,

ob er will oder nicht. Und vermutlich wird irgendjemand hinter ihm stehen, mit der gerollten Zeitung in der Hand, und Sätze sagen wie: “Du wolltest doch schon lange mal…” oder auch “Dann können wir doch endlich…”

Das Wort “wir” in diesem Zusammenhang ist im übrigen auch als “Du” zu verstehen. Die Liste auf dem Whiteboard ist schnell geschrieben, farblich in Kategorien sortiert, damit man auch bei schlechtem Wetter nicht zum rumsitzen verdammt ist.

 

 

12:47 Uhr

Panik beginnt sich breit zu machen, denn der Tag ist schon zur Hälfte rum. Gleich nach dem Mittagessen muss endlich was passieren.

 

 

13:38 Uhr

Das Wetter ist gut genug, um im Garten zu wüten. Wir sind erst Ende letzten Jahres hier eingezogen. Ein kleines Häuschen mit Garten. Meine Frau hat schon einiges im Garten gemacht, ich bin eher weniger dazu gekommen, da ich meistens lange unterwegs bin, wenn ich arbeite. Jetzt ist also endlich Zeit gekommen, meinen inneren Gärtner zu finden. Ich war nie so wirklich ein Garten Mensch.

Was jetzt nicht bedeutet, das ich einen schönen, gemütlichen Garten nicht schätze. Die Natur fasziniert mit seit jeher. Ja, wenn man Teenager ist, schätzt man natürlich andere Dinge. Eine schnelle Internetverbindung, damit die Online Freunde, die man noch nie gesehen hat, nicht enttäuscht sind, das man mal wieder nicht beim wöchentlichen Treffen erscheine. Dabei sind noch so viele Ecken der Fantasiewelt unerforscht, so viele Bossgegner unbesiegt und unendlich viele Siege nicht in den Tavernen gefeiert worden.

Aber diese Zeiten sind vorbei. Andere Themen sind nun mehr in den Mittelpunkt gerückt. Die kleine Familie, das Haus, arbeiten für die Steuern, Pub Besuche mit Freunden und Arbeitskollegen und die Fotografie, die auch immer mehr Zeit in meinem Leben beansprucht. Aber um ehrlich zu sein, hat mich das zocken nie ganz verlassen. Ich tauche immer noch gerne in Fremde Welten ein, ob in Buchform oder digital in Online und Offline Abenteuern. Man kann sich so gut darin verlieren und einfach mal abschalten.

Aber zurück zum Garten. Der Weg um das Beet, welches beim Einzug eher einer Müllhalde als einem Beet glich, war nur zur Hälfte fertig und in einem miserablen Zustand. Zwischen dem Haus und dem Garten waren einige Steinplatten durch die großen Wurzeln eines Baumes hochgedrückt worden und machten die Einfahrt mit dem Kinderwagen nicht gerade einfach. Das musste also mal geändert werden.

 

 

15:58 Uhr

Nachdem der vordere Teil gut geebnet war, die überflüssigen Steine zur Seite geräumt, und alles wieder halbwegs aufgeräumt war, die plötzliche Erkenntnis. Was hab ich mir dabei nur gedacht? Die Welt dreht durch und ich mache einen Weg im Garten fertig?

Ich sollte doch künftig etwas vorsichtiger mit der wertvollen Ressource Zeit sein und mich auf das Wesentliche konzentrieren.

Was rede ich denn da? An Zukunft war überhaupt nicht zu denken. Ab Mitternacht machen die Geschäfte dicht, totale Eskalation. Prohibition, illegale Straßenverkäufer und Widerstandsgruppen, die dem System vorwerfen, sie hätte den Virus nur erfunden um das “Volk” zu unterdrücken und klein zu halten.

 

Doch da kam die Idee. Die Idee wie es weitergeht. Die Idee war zu gut um sie einfach zu ignorieren. Haben wir nicht in unzähligen Dokumentationen wie “The walking dead”, was ich übrigens nie gesehen habe, Mad Max, Waterworld oder eben auch ein Resident Evil eine kleine Vorschau auf das bekommen, was jetzt kommen mag?!

Nehmen wir doch mal zum Beispiel Waterworld. Um Wasser brauchen wir uns also gar keine Sorgen machen dachte ich. Bei Mad Max hingegen, war das genaue Gegenteil der Fall und kämpfe um das rare Gut waren an der Tagesordnung. Vielleicht waren diese Tipps doch nicht ganz akkurat und mussten dem jeweiligen Szenario angepasst werden. Wasser war vorhanden, wir hatten genug Lebensmittel um uns ein paar Tage oder notfalls auch Wochen zu versorgen. Was fehlt noch? Stimmt, wie konnte ich das vergessen?

Eine Lederjacke! Der Protagonist und meistens auch noch einer der wenigen Überlebenden hatte stets eine Lederjacke. Meine lag allerdings noch in Deutschland in der Garage. Neben der Harley, die auch immer noch auf ihre nächste Tour wartet. Keine Chance da jetzt auf die schnelle ranzukommen. Verdammt. Mit dem Budget für einen ordentlichen V8 sieht es auch nicht gerade rosig aus zur Zeit. Auch wenn ich mich immer noch gerne an diese schöne Zeit zurück erinnere. Ich höre den V8 im inneren meines Kopfes. Dann Vogelgezwitscher.

Ich befinden mich ja immer noch im Garten und wollte was tun. Was effektiveres als tagträumen zumindest.

Eine Mauer! In all diesen Filmen gibt es Mauern, die die Zombies, die Schwachen, die Monster oder was auch immer einen gerade vom Leben abhalten will, abwehren sollen. Ich fange also mit den restlichen Ziegelsteinen an, eine Mauer zu errichten. Sie dient der Abwehr von sämtlichen Feinden, dem Schutz vor der Außenwelt. Die Isolation hat also begonnen. Die Mauer im Norden bei Game of Thrones um sich gegen die weißen Wanderer zu schützen. Die uneingenommene Mauer um Helm’s Klamm, die das Volk von Rohan vor den zahllosen Uruks aus Isengart schützen soll. Die Mauer, die Trump seit Jahren plant, jetzt aber vermutlich schnellstmöglich von den Mexikanern hochgezogen wird. Das waren meine Vorbilder.

 

Nach circa zweieinhalb Reihen gehen mir die Steine aus. Außerdem habe ich keinen Beton zwischen den Lagen. Oder blutgetränkte, messerscharfe Speerspitzen, die mit Gift getränkten Stacheln zwischen den Steinen hervor lugten. Alles in allem bin ich allerdings sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Für’s erste zumindest, denn da brauche ich noch einige Reihen mehr. Soweit, aber eine angebrachte Umrandung für mein zukünftiges Hochbeet im Eingangsbereich. Die Erde kann ich aus dem hinteren Teil des Gartens holen, dort ist eine kleine Erhebung in einer Ecke, die so gar keinen Sinn zu ergeben scheint. Das wäre allerdings ein Projekt, das zu einem späteren Zeitpunkt erledigt wird.

 

Wenn schon Weltuntergang, dann wenigstens mit einem schönen Stück Garten.

 

 

18:00 Uhr

Die Nachrichten beginnen und die Premierministerin gibt ihr Update zu Krise. Neue Fälle wurde bestätigt. Auch einige in unserer Region. Die Panik hält sich in Grenzen. Mir fehlt es an nichts. Ich denke wir sind ganz gut aufgestellt für ein paar Tage ohne Konsumgier.

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