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Tag 27 - 140 Kilobyte Rum

08:01 Uhr 

Der Ring ist endlich zerstört. Frodo und Sam haben es am Ende geschafft. Das Gute hat gesiegt. Viele haben mit ihrem Leben bezahlt, um das Überleben der freien Völker zu gewährleisten. Tausende haben Seite an Seite gekämpft um der geringen Hoffnung des Sieges mehr Zeit zu verschaffen. In etwa, wie wir alle es heute in der Hand haben, das Blatt zu wenden. Und alles was wir dafür tun müssen, ist mit dem Arsch auf dem Sofa zu bleiben. Keine großen Schlachten, fernab der Heimat. Keine ruhmreichen Taten, in einem unnötigen Machtkampf, den wir weder begonnen haben, noch je beenden können. Diejenigen die an vorderster Front stehen, sind auch selten diejenigen, die diesen Kampf verursacht oder losgetreten haben. Zumindest das sollten wir doch aus der Geschichte lernen. Und dennoch geschehen zur Zeit Dinge, die mir einfach nicht in den Kopf gehen. Die Menschen gehen auf die Straße und demonstrieren oder man versammelt sich am Strand, wenn das Wetter mitspielt.

 

Amerika ist nach monatelangem Ignorieren bzw. runterspielen der Pandemie in einer ziemlich dramatischen Lage. Einige Städte befinden sich im Lockdown. Andere wiederum nicht. Die kleineren Städte um San Francisco zum Beispiel haben alle Geschäfte geöffnet und werben sogar damit, dass Einheimische und Touristen doch dorthin kommen können, wenn sie in ein Restaurant, eine Kneipe oder ein Shopping Center wollen. Das muss man sich mal Klar machen. Der Virus verbreitet sich damit doch noch schneller und vor allem noch weiter.
Aber was weiß ich schon? 

 

Ich bin kein Experte und werde auch einen Teufel tun, irgendwem Ratschläge zu geben. Natürlich sind die vier Wochen Lockdown in Neuseeland auch nicht spurlos an uns vorbeigezogen. Die Wirtschaft ist auf Talfahrt, viele Firmen sind finanziell am Ende, tausende Menschen sitzen auf der Straße. Aber wenn wir dadurch tausende Menschenleben retten, ist das doch ein kleiner Beitrag oder? Natürlich ist das nicht sehr umfassend bedacht, von mir. Da gibt es auch einfach zu viele Faktoren, die ich weder kenne, noch beachte. Was ich vermutlich damit sagen will ist, dass ich einen weiteren Kaffee brauche. Oder aber vielleicht, dass wir alle einen Moment inne halten sollen, bevor der Shitstorm wieder von Neuem losgeht. Wir Wissen nicht, ob es gut war, wie die Regierungen reagiert haben. Woher auch? So eine Situation gab es noch nicht. Also wird sich erst mit der Zeit ergeben, welche Entscheidungen gut und welche schlecht waren.

Ich jedenfalls bin sehr froh, das ich niemanden kenne, der durch den Virus ums Leben gekommen ist. Ich musste keinen schmerzlichen Verlust erleiden, aufgrund dessen. Das würde vermutlich meine Meinung dazu auch ändern. Aber eins weiß ich dennoch, die ganze Pandemie sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Also bitte noch etwas die Füße stillhalten. 

 

Die Regierung in Neuseeland, ist bemüht mit der Situation umzugehen. Und sie hat schnell gehandelt, die Bevölkerung nicht im dunklen tappen lassen und stets informiert. Das Land steht als Einheit in dieser Krise. Fast alle ziehen mit. Und wir werden auch nach dieser Krise als Einheit rauskommen. Die Politiker senken ihre Gehälter, für eine bestimmte Dauer. Ca. 1.6 Millionen die hier eingespart werden. Restaurants, die nach dem Lockdown ihr Essen liefern, bevor die Lokale wieder Besucher empfangen dürfen, bekommen pro Lieferung zehn Dollar zusätzlich von der Regierung, um ihre Verluste zu senken. Zumindest in Wellington. Das ist ein Anfang. Die Wirtschaft ist im Keller. Der internationale Tourismus ist eine der größten Einnahmequellen des Landes. Diesen Monat haben wir das Rekordtief von Null erreicht. Und nach allem was man so hört, wird das noch für einige Zeit so bleiben. Die Wirtschaftskrise wird wohl nicht lange auf sich warten lassen. Aber auch das war nur eine Frage der Zeit. Wir werden diese Zeit überstehen. Und in ein paar Jahren, ist das nur eine weitere "schlimme" Zeit auf der endlos langen Liste, die die Menschheit bisher überlebt hat.

 

Es sind gerade wieder unendliche neue Theorien auf dem Markt, wieso der Virus aufgetaucht ist. Wurde der Virus erfunden, damit die Regierungen das Bargeld abschaffen können? Wer profitiert davon und was sind die Gründe, wird häufig gestellt. Niemand. Die Medien bauschen alles weiter auf und jeder Hinz und Kunz philosophiert mit seinen Halbwahrheiten vor sich hin. Die Dinosaurier sind wahrscheinlich auch ausgestorben, weil sie sich nicht die Hände gewaschen haben. Zumindest der Tyrannosaurus Rex, hätte dann auch ein echtes Problem gehabt, mit den kurzen Armen. Wir alle tragen heutzutage das Wissen der Welt mit uns herum. Das Smartphone verfügt mithilfe des Internets über unendlich viel gebündeltes Wissen oder auch nicht-Wissen. Man könnte sich also alles erlesen und sich kostenlos unzähliges Wissen aneignen. Neue Sprachen lernen. Einem selbst neue Wissensgebiete erforschen. Was tun wir stattdessen? Wir spielen Minispiele, schicken uns gegenseitig Bilder von unserem Mittagessen und stellen Theorien auf, das die Erde eine Scheibe ist. 

Große Leistung! Das hatten wir doch alles schon einmal. Ich wollte eigentlich keine Ratschläge erteilen, aber haben wir das opfern einer Jungfrau in einem Vulkan schon probiert um Covid-19 zu bekämpfen? Oder zur Sicherheit Hexen und Bücher verbrannt? Nur so eine Idee. 

 

 

11:07 Uhr 

Ab morgen befinde ich mich also wieder tagsüber im Home Office. Das Büro ist im Zimmer des kleinen eingerichtet worden. Einen anderen Platz gibt es nicht. Aber das ist schon in Ordnung. Tagsüber, wenn er nicht gerade schläft, ist er meistens im Wohnzimmer zu finden. Und wenn er schläft, dann lenkt er mich ja auch nicht ab. Ich kann also meiner Tätigkeit nachkommen und trotzdem immer mal wieder mitbekommen, was der Zwerg gerade erreicht hat. Das ist super. Macht den Wiedereinstieg etwas leichter, wie ich finde. Doch das ist erst morgen. Heute soll der Tag noch einmal genossen werden. Das Wetter spielt mit und ich hatte noch ein kleines Projekt im Kopf. So leer wie zur Zeit, würde man die Stadt so schnell nicht mehr vorfinden. Also packe ich die Kamera, meine Frau den Rucksack vom kleinen und die Karre und wir machen uns auf den Weg. Der Weg, den wir nehmen geht einmal um die Oriental Bay, vorbei am Te Papa Nationalmuseum bis zur Waterfront. Nach einer kleinen Pause im Hafenbecken, geht es weiter Richtung Innenstadt. Die Straßen sind, wie erwartet, bis auf wenige Taxen und Busse, leergefegt. Perfekt also um ein paar Bilder von der menschenleeren Umgebung, den Gebäuden und kleinen Passagen zu schießen. Einige Bilder im Kasten, gehen wir gemütlich Richtung Cuba Street, dem Mount Vic Tunnel und letztendlich nach Hause. Gute drei Stunden, wanderten wir also durch die Stadt. Insgesamt haben wir mehr als zwölf Kilometer zurückgelegt, was unsere Beine mittlerweile bestätigen. Die anschließende Pause, bei einem selbstgemachten Eiskaffee auf der Veranda, scheint verdient zu sein.

 

 

16:28 Uhr 

Mit der Fotografie ist das immer so eine Sache. Sie ist kein günstiges, aber ein sehr schönes Hobby. Vielfältig, abwechslungsreich und Entspannung zugleich. Zumindest für mich. Ich bin überwiegend in der Landschaftsfotografie zu finden. Das hat für mich ein paar einzigartige Vorteile. Erstens die Landschaft läuft nicht weg. Ich kann also Zeit investieren und den mir am besten zusagenden Blickwinkel finden. Zweitens ich bin in der Natur. Ob auf kleinen Walks, größeren Wanderungen oder auch in fernen Ländern. Außerdem kann ich mir gezielt, Objekte der Begierde raussuchen, dorthin fahren und das Bild was mir vorschwebt, schießen. Das einzige was ich weder kontrollieren noch beeinflussen kann, ist das Licht. Das ist zwar der größte Aspekt in der Fotografie, denn übersetzt heißt es "mit Licht malen", dennoch will ich den ein oder anderen Sonnenauf- oder Untergang nicht missen. Das Licht macht den Unterschied ob ein Bild grandios oder eben nur Mittelmaß ist. Natürlich muss auch die Einstellung der Kamera stimmen, aber das gehört halt dazu. Man braucht letztendlich keine teure Kamera um gute Bilder zu schießen. Der Anfänger mit der Profi Kamera macht also nicht automatisch bessere Resultate. Der Profi mit der Handykamera hingegen schon. Nicht qualitativ, aber vom Bildaufbau und Gesamtbild. Hier spielt das künstlerische eine große Rolle. Weniger die Technik die dahinter steckt. Aber all das ist erlernbar. Es ist ja bekanntlich noch kein Meister vom Himmel gefallen. Und wenn dann hat er dies vermutlich gar nicht überlebt und wir können nicht überprüfen, ob es ein Meister seines Fachs war, oder ein Depp, der einfach aus einem Flugzeug gestiegen ist und ungünstiger weise seinen Fallschirm vergessen hat.

 

Der letzte Punkt, der mich an der Landschaftsfotografie begeistert ist, im Gegensatz zu Porträt oder Street Fotografie, die Abwesenheit von Menschen. Diese ist sozusagen essentiell in dieser Sparte. Da ich generell kein allzu großer Fan der Menschheit, oder besser aus dem was aus ihr geworden ist, bin, kommt mir die Flucht aus der hektischen Gesellschaft ganz gelegen. Versteht mich nicht falsch, ich bin gerne Mensch. Stelle es mir auch unglaublich kompliziert vor als Faultier eine Kamera zu bedienen. 
Aber wenn wir ehrlich sind, wird doch einiges einfacher wenn nicht so viele Menschen anwesend sind. Da wäre so eine kleine Apokalypse für mich doch vielleicht gar nicht so verkehrt. Man bekommt ein neues Stadtbild, neue menschenleere Motive, Ruinen ohne weite Anreise und keine Touristen die einem ins Bild laufen. Aber ich träume schon wieder vor mich hin. Ganz ohne wäre es ja auch nicht toll. Alleine trinken, macht ja bekanntlich einen Alkoholiker aus. Andererseits ist ja auch keiner mehr da, der einen verurteilt?  

 

Zurück zum Thema. Wir kommen also zurück aus der Stadt mit ein paar neuen Bildern auf der Speicherkarte. Diese landen jetzt erstmal auf dem heimischen Rechner und werden in der Regel gesichtet und sortiert. Heute allerdings nicht. Ich habe noch so viele andere Bilder, da müssen diese erstmal warten. Das Hochzeitsshootings von einem Arbeitskollegen, von vor ein paar Monaten ist noch nicht fertig bearbeitet, obwohl ich da noch auf eine Rückmeldung warte. Das Babyschwimmen von dem kleinen liegt auch noch unbearbeitet auf der Festplatte. Und diverse andere Sessions, die noch bearbeitet werden wollen. Aber nach und nach komme ich schon voran. Und als Rentner brauche ich ja schließlich auch noch was zu tun. Das ist der kleine "Nachteil" wenn man, wie ich, an einem bestimmten Punkt der Fotografie angekommen ist. Die eigenen Ansprüche wachsen. Es wird deutlich mehr Zeit investiert. Man schießt Fotos zwar überwiegend digital, aber in einem Format, das man bearbeiten muss. Denn sonst enttäuschen die Bilder. Da sie nicht von der Kamera vor-bearbeitet werden und somit einen für uns familiären Anblick bieten. Die Nachbearbeitung kann unter Umständen sehr viel Zeit in Anspruch nehmen, um jedes noch so kleine Detail aus dem Bild herauszuholen. Aber es lohnt sich und gehört zu dem Prozess mittlerweile dazu. Wir gehören tatsächlich auch immer noch zu den Menschen, bei denen die Bilder nicht auf der Festplatte versauern. Ich teile meine Bilder in den sozialen Netzwerken, wenn auch nicht ansatzweise so viel und so oft, wie ich es gerne würde, wir lassen Bilder drucken und verschicken sie. Außerdem habe ich seit Jahren immer wieder gerne klassische Fotoalben angelegt. Von unseren größeren Urlauben in etwa. Da kommen dann hunderte von Bildern in gedruckter Form in ein großes Album, mitsamt gesammelten Flyern, Rechnungen, Flugtickets und Kommentaren hier und da. Die legt man dann einfach mal raus, wenn jemand vorbeikommt und verlängert diesen Urlaub um Jahre, indem man immer wieder davon erzählt und sich die Bilder vor Augen führt.

 

Bevor sich der Tag dem Ende neigt, noch ein paar Gedanken. Wir Wissen nicht wo uns die Reise hinführen wird. Aber macht euch nicht von sozialen Netzwerken abhängig. Von all dem Made in China Kram. Es gibt vieles worauf man verzichten kann. Bleibt bodenständig. Einmal die Woche hundert Jahre alten Whiskey aus einem goldenen Stiefel trinken reicht. Hört auf euch Yachten zu kaufen, wenn ihr schon drei Galeeren besitzt. Vor kurzem erst habe ich erfahren, dass man Rum auch in Flaschen und nicht nur in Holzfässern bekommt. Und vor allem investiert in eure Zukunft. Ich bin der Meinung, dass in dieser Zeit viele Modeerscheinungen ganz schnell verschwinden werden. Das Internet zum Beispiel. Das braucht doch kein Mensch. Das setzt sich nicht durch. Ist euch mal aufgefallen das man bis heute als
Speichern-Symbol immer noch eine Floppy Disk benutzt? Die meisten kennen diese nicht mal mehr.
Ich hingegen gehe langsam wieder zurück zu den guten, alten Briefen. Die kommen wenigstens an und man kommt auch nicht in Versuchung sein Mittagessen per Foto in einen Briefumschlag zu stecken und ihn an alle Bekannten zu verschicken. Riskiert mal was. Ich habe erst vor kurzem in eine neue, zukunftsweisende Technik des Reisens investiert. Keine E-Mobilität, hört mir auf mit diesem Mist. Luftschiffe! Die sind die Zukunft.
Riesige fliegende Schiffe, auf denen kaum jemand Platz findet. Die sicherste Art zu reisen, keine Frage. Also vergesst Züge, Autos und all diese Steinzeitlichen Ideen von Mobilität.

 

In diesem Sinne, passt auf euch auf.

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Kommentare: 2
  • #1

    Sabine (Montag, 27 April 2020 00:26)

    Ach ja, die Pandemie.....seufz....ich kann den ganzen Mist der Alu-Hut Träger nicht mehr hören bzw. lesen. Da ab heute bei uns Maskenpflicht(Mund/Nasenschutz Maske) ist hört man nur noch wie schädlich das ist und das man ganz bestimmt sterben wird weil man seine eigene ausgestoßene Atemluft wieder einatmet..... hahaha .....wie blöd können Menschen sein, vor allem Menschen die man (glaubt man zumindest) gut kennt . Jetzt wird dafür demonstriert das man seine Freiheit wieder bekommt.....Hallo, geht’s noch? Wir durften mehr wie viele andere Länder.....aber ich reg mich nicht auf, bringt eh nichts. Es wird richtig teuer wenn du ohne Maske einkaufen gehst (150-200€) oder in den ÖVB keine um hast. Das Abstand halten ist auch so ein Ding, kaum wurden die Maßnahmen etwas gelockert schon hocken sie wieder aufeinander. Unbegreiflich für mich :( . Aber ok, die Polizei greift durch und auch das kostet ab 150€ bis 25.000€ je nach dem ....Der Deutsche lernt erst wenn es an sein Geld geht, obwohl ich bezweifele das er lernt.....schade eigentlich das solche Dinge erzwungen werden müssen und der normale Verstand den Menschen nicht sagt was sie tun müssen. Aber vielleicht mache ja auch ich alles verkehrt, keine Ahnung....so, genug gelästert über die dummen Deutschen ;-). Habt noch einen schönen Tag und liebe Grüße :-*

  • #2

    Miri (Montag, 27 April 2020)

    Tja was soll man dazu sagen... die Menschen sind halt wie sie sind